Was macht „The Upside of Unrequited“ von Becky Albertalli so besonders?

Molly Peskin-Suso war genau sechsundzwanzig Mal unerwidert verliebt. Naja, zumindest hat sich nie etwas daraus ergeben, weil sie tatsächlich nie einen Schritt auf ihren Schwarm zugemacht hat. Es hätte also durchaus sein können, dass die ein oder anderen Gefühle erwidert wurden, doch das wird Molly nie erfahren.
Ihr Name kommt euch bekannt vor? Das kann sehr gut sein, denn ihre Cousine und beste Freundin Abby Suso haben wir bereits in Becky Albertallis Roman „Nur drei Worte“ oder in der dazugehörigen Buchverfilmung „Love, Simon“ kennengelernt. Auch in „The Upside of Unrequited“ haben Abby, Simon und Nick kleine Gastauftritte, der Höhepunkt der Geschichte ist jedoch ganz allein Molly. Und ihre Zwillingsschwester Cassie. Und ihre Mütter Nadine und Patty. Und Reid. Und bevor ich mich mit Euphorie völlig überschlage, schauen wir uns das Buch doch mal etwas genauer an. Wieso hat es mir „The Upside of Unrequited“ so angetan?

Das Cover zum Buch The Upside of Unrequited von Becky Albertalli

Seiten: 368
ISBN: 9780062348708
Autorin: Becky Albertalli
Preis: 17,50€ (Hardcover), 10,50€ (Taschenbuch), 6,83€ (E-Book), 37€ (Hörbuch)

Becky Albertalli engagiert sich privat für die LGBTQ-Community und hat vor ihrer Schriftstellerkarriere mit Jugendlichen zusammen gearbeitet. Kein Wunder also, dass die Teenager in ihren Büchern so real scheinen, sie weiß einfach, was in ihren Köpfen vor sich geht. Natürlich ist es selbstverständlich, dass ich – genau wie in meinem Artikel zu „Love, Simon“ – auf die angesprochene Homo- und Pansexualität eingehe, doch ich habe mich auch auf ein paar Young-Adult-Klischees, die Becky Albertalli bewusst bricht, fokussiert, um zu zeigen, dass „The Upside of Unrequited“ das perfekte All-Round-Paket für Jugendliche in der heutigen Zeit ist.

Gleichgeschlechtliche Ehe für Alle

Nadine und Patty sind wahrscheinlich die coolsten Eltern, die ich je in einem Jugendbuch kennenlernen durfte. Sie sind auf eine erfrischende Art jung geblieben, gehen respektvoll mit ihren Kindern um und wissen trotzdem, wie man effektiv durchgreifen kann. Da Nadine und Patty ein lesbisches Paar von unterschiedlicher Hautfarbe sind und ihre Kinder nur mit Hilfe einer Samenspende zeugen konnten, stoßen sie allerdings nicht bei jedem auf so viel Sympathie. Vor allem Nadines Schwester Karen, mit der sie früher zusammen durch dick und dünn gegangen ist, sondert sich immer weiter von ihr ab. Doch die beiden Mütter lassen sich davon nicht unterkriegen. Sie sind stolz auf ihre kleine Familie und trotzen gemeinsam allen Widrigkeiten.

Als Becky Albertalli die Legalisierung der homosexuellen Ehe in der ganzen USA thematisiert, wird dieses Ereignis schon bald zur Schlüsselszene in „The Upside of Unrequited“. Die Planung der Hochzeit der beiden Frauen bringt Freunde, Verliebte, selbst verfeindete Familienmitglieder zusammen. Alle ziehen zusammen an einem Strang, bereiten die Dekorationen vor und planen die Trauung. Anstatt sich auf die Negativität und hässlichen Kommentare anderer zu konzentrieren, wird die gleichgeschlechtliche Ehe in Becky Albertallis Jugendroman gefeiert. Obwohl der Fokus der Handlung auf Molly und ihre Schwärmereien für sechsundzwanzig verschiedene Jungs liegt, schafft es die Autorin, das Thema der Homosexualität geschickt in den Vordergrund zu rücken. Ohne es wirklich zu merken, findet sich der Leser mit der gleichgeschlechtlichen Ehe immer wieder konfrontiert, doch anstatt die Liebe zweier Frauen als etwas Exotisches darzustellen und immer wieder auf die Komplikationen mit der Gesellschaft einzugehen, wird die Beziehung zwischen Nadine und Patty in „The Upside of Unrequited“ als das Normalste auf der Welt behandelt – so wie es ja auch sein sollte. Die Liebe wird gefeiert, die Familie kommt zusammen, Menschen nähern sich an. Die Hochzeit im Peskin-Suso Haushalt ist das Beste, was dem Buch hätte passieren können.

Zwei Frauen, die sich küssen
Foto: Juliette F | Unsplash

Pansexualität ist cool

Ich muss ehrlich zugeben, dass mir der Begriff „Pansexualität“ absolut nichts sagte. Als ich dann in „The Upside of Unrequited“ darüber stolperte, hatte ich erwartet, dass Becky Albertalli etwas genauer darauf eingehen würde, schließlich muss man sich in der heutigen Gesellschaft immer wieder erklären und rechtfertigen. Als aber Cassie herausfindet, dass ihr Schwarm Mina pansexuell ist und dies ihrer Zwillingsschwester erzählt, kommt als Antwort nur „Das ist ja cool!“ Keine Erklärung. Kein weiterer Kommentar. Sehr schnell kam ich mir ignorant vor. Wieso wusste ich nicht, was das bedeutete? Sollte so etwas nicht in den Köpfen aller Menschen verankert sein? Und genau das ist auch der Gedanke Albertallis. Wie die gleichgeschlechtliche Ehe, ist Pansexualität nichts Außergewöhnliches und so sollte das Thema auch behandelt werden. Der Begriff sollte ebenso bekannt sein wie Homo- oder Heterosexualität, daher gibt es auch keine weitere Erklärung dazu. Als unwissender Leser – so wie ich es war – weiß man lediglich, dass es cool ist, pansexuell zu sein, für weitere Erklärungen muss man selbst aktiv werden.

Vor allem in einem Jugendbuch finde ich diesen Ansatz äußerst wichtig. Teenager und junge Erwachsene bekommen ein gewisses Gefühl dafür vermittelt, dass man sich für seine sexuelle Orientierung niemals erklären muss. Auch Mollys Reaktion in Form von „Das ist ja cool!“ ist genau der richtige Ansatz. Warum sollte man eine Person immer in Verlegenheit bringen, indem man sie mit Fragen wie „Was heißt das denn?“ oder „Muss man das kennen?“ löchert? Viel mehr sollte man die Diversität anderer akzeptieren und feiern. Wäre doch langweilig, wenn alle immer nur das gleiche wollen würden. Do you. Einfacher kann man es nicht sagen.

Angstzustände gehören eben dazu

Molly geht ganz offen mit ihren Angstzuständen um. Sie erzählt von der Medizin, die sie nehmen muss und wie unwohl sie sich in einigen Situationen noch fühlt. Obwohl ihre Panikattacken nicht mehr so häufig auftreten, werden sie doch immer wieder zum Thema, denn so sehr sie diesen einen Teil von sich auch hasst, Molly weiß, dass die Angstzustände zu ihr gehören. Ich finde es besonders schön, dass nicht einmal negative Kommentare von anderen Charakteren geäußert werden. Panikattacken treten oft unvorhersehbar auf und sind für Nichtbetroffene schwer zu verstehen, was bei Teenagern dazu führen kann, dass sie sich darüber lustig machen. So aber nicht in „The Upside of Unrequited“. Jeder geht verständnisvoll und respektvoll mit dem Thema um, Molly erfährt von ihren Freunden und ihrer Familie sehr viel Unterstützung, was sicherlich dazu beiträgt, dass sie selbst so souverän damit umgehen kann.

Verwackeltes Bild einer Frau, die sich den Kopf hält, repräsentiert die Angstzustände aus The Upside of Unrequited
Foto: Uday Mittal | Unsplash

Nerds sind viel attraktiver als Hipster

Als Molly realisiert, dass aus ihren sechsundzwanzig Schwärmereien nie etwas Festes entstanden ist, weil sie zu schüchtern war, um auf die andere Person zuzugehen, fühlt sie sich schon bald mit einem Problem konfrontiert: Soll sie den ersten Schritt wagen und herausfinden, ob Will – der coole Hipster-Freund von Mina – auf sie steht? Es scheint fast zu schön, um wahr zu sein. Will ist lustig, hängt mit den coolen Kids ab, kleidet sich außergewöhnlich, aber trotzdem sexy und scheint ernsthaftes Interesse an Molly zu haben. Er schreibt ihr regelmäßig, fragt sie, ob sie Lust hat, etwas mit ihm zu unternehmen, doch Molly fühlt sich unsicher. Anders als ihre Schwester Cassie, die schlank und wunderschön ist, ist Molly nicht der „offensichtliche“ Typ Mädchen für Will – zumindest redet sie sich das ein. Wieso sollte er sie toll finden? Da ihr allerdings von allen Seiten immer wieder gut zugesprochen wird, versucht sie, sich auf ihn einzulassen.

Doch dann ist da auch noch Reid. Der neue Arbeitskollege von Molly hat selbst ein paar Kilos zu viel auf den Hüften, redet am liebsten den ganzen Tag über „Der Herr der Ringe“ und ist auch sonst das komplette Gegenteil von Will. Er ist nerdy, arbeitet im Geschäft seiner Eltern und trägt komische Fan-Tshirts. Eigentlich kann er Will nicht das Wasser reichen, oder? Aber warum versteht sich Molly mit Reid so viel besser? Warum fühlen sich ihre Gespräche mit Will so erzwungen an und bei Reid kann sie sie selbst sein? Und wieso geht ihr Reid nicht mehr aus dem Kopf, wenn Will doch so viel besser aussieht? Tja, liebe Molly, Aussehen ist definitiv nicht alles und ich freue mich, dass Reid dir auch in dieser Hinsicht deine Unsicherheit nehmen konnte.

Zwei Menschen halten sich an den Händen
Foto: Dương Hữu | Unsplash

Zwischen brutal ehrlich und zum Schreien komisch

Zwar spricht Becky Albertalli sehr viele ernste Themen in „The Upside of Unrequited“ an, doch genauso sehr kann man auch mit den Charakteren lachen. Ich habe das Buch innerhalb weniger Tage verschlungen und muss ehrlich zugeben, dass die Geschichte viel zu schnell vorbei war. Genau wie bei „Nur drei Worte“, konnte ich mich unglaublich gut in die Hauptcharaktere hineinversetzen und das obwohl diese noch im Teenageralter sind (und diese Zeit bei mir schon etwas länger zurückliegt). Die gut abgestimmte Mischung aus Ernsthaftigkeit, Humor, Herzschmerz und Verliebtsein nimmt den Leser mit auf eine Achterbahn der Gefühle und ich finde es faszinierend, wie mir eine Siebzehnjährige noch das ein oder andere über Zusammenhalt, Akzeptanz und Loyalität beibringen konnte. 

Gern geschehen.

Lass uns doch öfter voneinander hören.

Marie

Hi! Ich bin Marie. Ich liebe Geschichten (sowohl die auf dem Papier als auch die auf der Leinwand), verreise gern und teile auf gerngeschehen.blog meine Erlebnisse und Eindrücke mit der Welt. Schön, dass du hier bist!

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