„Life Lessons Harry Potter Taught Me“ von Jill Kolongowski besteht aus sechzehn Kapiteln, die jeweils einen Zauberspruch mit Lebenslektionen verbindet, so steht zum Beispiel „Riddikulus“ für „Freude in dunklen Zeiten“ oder „Petrificus Totalus“ für „Mut und Tapferkeit“ (denn wir alle wissen, dass es sehr viel Tapferkeit verlangt, sich seinen Freunden in den Weg zu stellen). Darüber hinaus fokussiert sich Jill Kolongowski nicht nur auf bestimmte Szenen aus den Harry Potter Büchern und Filmen, sondern sie gewährt dem Leser auch Einblick in ihr Privatleben: Sie erzählt wie sie sich mit Harry und seinen Freunden in ausgewählten Situationen identifizieren konnte und wie sie sich von J.K. Rowlings Universum in schwierigen Lebenslagen inspirieren ließ. Außerdem weist sie auch auf kleine und dennoch wichtige Dinge hin, auf die man – oder vielleicht auch nur ich – normalerweise nicht achten würde. Oder wusstet ihr, dass jedes Mal, wenn Harry etwas isst (bei den Weasleys, in der Großen Halle, in den Drei Besen), gleichzeitig ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt wird? Denn alle Orte verbindet Harry mit seinem Zuhause.
Ratschlag #1: Wahre Liebe vergeht nicht
Wie viele von euch sicherlich schon wissen, bin ich ein wahnsinnig großer Fan von Professor Severus Snape. Ich finde es interessant, dass man ihn nicht genau einer Seite zuteilen kann – er ist weder vollends gut noch abgrundtief böse. Hat er Harry gehasst? Vielleicht. Hat er sich zu sehr von seinen eigenen Gefühlen und der Abneigung gegenüber James Potter (für dessen Verhalten Harry natürlich keinerlei Schuld trägt) leiten lassen? Ich denke schon. Doch hat er Harry in den wichtigsten Momenten seines Lebens beschützt? War seine Liebe zu Lily Potter so groß, dass sie den Hass gegenüber James teilweise verdrängte? Ja, definitiv. Severus Snape mag ein zwielichtiger Charakter gewesen sein, doch das Herz hatte er am rechten Fleck. Wenn ich an ihn denke, kommen mir Worte wie „Hingabe“ und „Loyalität“ in den Sinn und ich bin mir sicher das „Immer“ wird uns für ewig in Gedanken bleiben.
Doch ich möchte mich in diesem Abschnitt nicht komplett auf Snape konzentrieren, denn es gibt noch andere Charaktere aus dem Harry Potter Universum, bei denen das Wort „Liebe“ groß geschrieben wird. Ich denke, eine weitere Person, die allen sofort in den Sinn kommt, und die ich weiter oben auch schon erwähnt habe, ist Lily Potter. Ihre Liebe zu Harry war so stark, dass er den Avada Kedavra Fluch überlebte und für Voldemort unantastbar war. Auch im Gegenzug kam die Zuneigung zwischen Mutter und Sohn von Herzen. Obwohl Harry seine Eltern nie kennenlernen durfte, verspürte er doch stets Bewunderung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl für die beiden.
Sirius Black sollte ich bei diesem Thema vermutlich auch nennen. Jedoch denke ich hier nicht an die Beziehung zwischen ihm und Harry, sondern an seine Freundschaft mit James Potter. Dass die beiden besten Freunde waren und während ihrer Schulzeit in Hogwarts viel Unfug anstellten, ist natürlich nichts Neues. Doch wie eng ihre Verbundenheit tatsächlich war, realisierte ich erst im fünften Teil „Harry Potter und der Orden des Phönix“, als Sirius sagte: „Noch heute vergeht kein Tag, an dem ich deinen Vater nicht vermisse.“ Ich habe viele Diskussionen darüber gehört, ob Hagrid nicht eine bessere Vaterfigur für Harry war als Sirius. Darüber möchte ich mich gar nicht streiten, ich liebe beide und weiß, dass sowohl der Halbriese als auch Tatze sich sehr um Harry sorgten. Doch ich denke, dass Harrys Ähnlichkeit zu seinem Vater James nicht spurlos an Sirius vorbei gegangen ist, so nennt er ihn ja auch während des Kampfes gegen die Todesser im Ministerium „James“. Ein Teil von Sirius’ Zuneigung gegenüber seines Patenkindes galt also seinem verstorbenen Freund.
Dass auch Harry die Liebe all dieser Personen erwiderte ist klar und er setzte ihnen ein wunderschönes Denkmal, um die Zuneigung und Geborgenheit aufrecht zu erhalten: Er nannte seine Kinder – ebenfalls Personen, die er über alles liebt – James Sirius, Albus Severus und Lily Luna. Never to be forgotten.
Ratschlag #2: Team Work Makes the Dream Work
Wer bei „Harry Potter“ an „Teamwork“ denkt, dem fällt sicherlich zuerst das goldene Trio – Harry, Hermine und Ron – ein. Ist ja auch nicht verkehrt, ohne seine Freunde wäre Harry nicht nur aufgeschmissen, sondern auch sehr einsam gewesen. Doch in diesem Abschnitt möchte ich mich zwei anderen Charakteren widmen, die meines Erachtens nach ein großes Shoutout in Bezug auf Zusammenhalt verdient haben.
Wer ist für euch der Inbegriff von Treue und Loyalität (abgesehen von Snape, natürlich)? Richtig, Hagrid. Er ist nicht nur derjenige, der Harry zu Beginn und am vermeintlichen Ende seines Lebens in den Armen hielt, sondern auch stets der erste Zufluchtsort für Harry, Ron und Hermine. Hagrid weiß Rat, tröstet, motiviert und ohne seine Hilfe wären Harry so einige Aufgaben nicht gelungen – denken wir nur mal an seinen ersten Einkauf in der Winkelgasse oder an die Drachen in „Harry Potter und der Feuerkelch“. Hagrid vermittelt uns den Eindruck, dass man dem, was uns am wichtigsten ist, treu sein muss, um es beschützen zu können. Er zieht sich wie ein roter Faden durch Harrys Leben: Er rettet ihn aus Godric’s Hollow, bereitet ihn auf sein erstes Schuljahr vor, hilft ihm, sich in der Zaubererwelt wohl zu fühlen und weicht ihm bei gefährlichen Angelegenheiten nie von der Seite. Hagrid ist sowohl Vaterfigur als auch ein guter Freund, ohne den Harry wesentlich weniger Liebe, Sicherheit und Erfolg erfahren hätte.
Der zweite Charakter, der für Harry nicht nur Freund sondern auch Unterstützung und letztendlich Lebensretter war, ist der wohl selbstloseste Hauself, den ich kenne. Ich spreche natürlich von Dobby. Der kleine Kerl mit den Fledermausohren und den großen Kulleraugen hatte sich ziemlich schnell einen Platz in meinem Herzen gesichert und obwohl Harry anfangs etwas überfordert war, lernte er ihn doch sehr schnell lieben. Anders als bei Hagrid war Dobbys Treue nicht nur an Liebe und Freundschaft gekoppelt, sondern vor allem an Bewunderung. Seit Harry ihn aus den Fängen der Malfoys befreite, hatte der kleine Hauself das Gefühl, ständig in Harrys Schuld zu stehen. Der Zauberschüler schenkte ihm ein komplett neues Leben und Dobby dankte es ihm, indem er in schwierigen Situationen stets zur Stelle stand. Er war sogar bereit, sein Leben für Harry, Hermine und Ron zu opfern, starb friedlich in den Armen seines Freundes und verspürte keine Reue: Bis zum Schluss tat er das, was er am meisten mochte – er half anderen in Not.
Ratschlag #3: Niemand ist perfekt
Zu Sirius’ bekanntesten Zitaten gehört wahrscheinlich folgendes: „Die Welt teilt sich nicht in gute Menschen und Todesser, wir haben alle sowohl eine gute als auch eine dunkle Seite in uns.“ („Harry Potter und der Orden des Phoenix“) Dieses Statement zieht sich durch das gesamte Buch. Es gibt keinen Charakter, der nur durchweg gut ist: Dumbledore hat in Bezug auf seine Schwester und seine Beziehung zu Grindelwald ein Päckchen zu tragen, Hermine musste lernen, ihr Wissen nicht jedem direkt unter die Nase zu reiben (zu Beginn des ersten Teils hatte Ron einfach recht – sie war wirklich etwas nervig) und Harry ist nicht der große Held, für den ihn alle halten – er ist ein mittelmäßig guter Schüler und in den großen Kämpfen hatte er meist einfach nur Glück, dass ihn Freunde unterstützten. Alle von J.K. Rowling erschaffenen Figuren haben ihre Fehler, aber genauso soll es auch sein. Eine Geschichte muss realitätsnah geschrieben werden, damit sich ihre Leser auch mit der Handlung identifizieren können.
In ihrem Buch „Life Lessons Harry Potter Taught Me“ schreibt Jill Kolongowski, dass Bücher uns dazu bringen, in uns hineinzusehen und alles zu hinterfragen: Wir ordnen uns selbst eines der Häuser in Hogwarts zu oder schließen uns einer Freundesgruppe an (sei es die von Harry oder meinetwegen auch die von Malfoy). Wir suchen Schnittstellen mit den handelnden Charakteren und favorisieren diejenigen, die uns am ähnlichsten sind. Noch dazu ist nicht jeder böse Charakter durchweg böse: Die Dursley haben Harry bei sich aufgenommen. Sie haben ihn nicht gut behandelt, aber er hatte ein Dach über dem Kopf. Und auch Narcissa Malfoy hat einen gutmütigen Moment, als sie Voldemort bezüglich Harrys vermeintlichen Tod anlügt.
Die Harry Potter Bücher haben mir gezeigt, dass man immer versuchen muss, beide Seiten eines Menschen zu sehen und sich nicht von den offensichtlichen Tatsachen blenden zu lassen. Jeder hat seine eigene Geschichte, jeder handelt aus unterschiedlichen Gründen. Es ist leicht, jemanden nach ein paar Minuten zu verurteilen und zu sagen „Was du machst ist falsch“ oder „Was du gesagt hast, ist nicht richtig“, doch bevor man diese voreiligen Schlüsse zieht, sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass niemand perfekt ist. Alle machen Fehler und das ist okay.
Ratschlag #4: Zuhause ist kein bestimmter Ort
Wenn man es genau nimmt, müsste der Ligusterweg Nummer 4 Harrys Zuhause sein, aber ich denke, keiner von uns würde da zustimmen. Er wuchs zwar dort auf, doch die Umgebung war keinesfalls liebevoll. Er schlief in einer kleinen Kammer unter der Treppe, trug die viel zu großen Klamotten seines Cousins Dudley, musste sämtliche Aufgaben im Haushalt übernehmen und hatte auch sonst keinerlei Freiheiten. Er hatte ein Dach über dem Kopf, aber von einem Zuhause kann hier keinesfalls die Rede sein. Ein Zuhause ist ein Ort, den man mit Liebe, Geborgenheit und Sicherheit in Verbindung bringt und der Ligusterweg repräsentiert keines dieser Merkmale.
Als Harry jedoch in seinem ersten Jahr nach Hogwarts kommt, sein Bett im Schlafsaal herrichtet, mit seinen Freunden im Gemeinschaftsraum sitzt und Mahlzeiten in der großen Halle einnimmt, fühlt er sich zum ersten Mal an einem Ort richtig wohl. In der Schule ist er unter Gleichgesinnten. Jeder begegnet sich mit Respekt und Harry wird von den Aufsichtspersonen freundlich behandelt (wenn wir Snape hier mal ausschließen). Hogwarts ist das komplette Gegenteil vom Haus der Dursleys und obwohl Harry die Schule für die Sommerferien jedes Jahr verlassen muss, betitelt er das Schloss doch sehr schnell als sein eigentliches Zuhause.
Auch im Fuchsbau oder im Hauptquartier des Orden des Phönix fühlt sich Harry sehr wohl und ein Hauptgrund dazu habe ich weiter oben bereits erwähnt: Essen. Hogwarts prahlt mit den großen Feiern und Mrs. Weasley tischt jedes Mal groß auf, wenn die Familie beisammen ist. Da Harry bei den Dursleys nie eine gute Mahlzeit – und schon gar nicht ein gemeinsames Essen – genießen konnte, sticht dieser Kontrast in der Zauberwelt sehr hervor. Alles scheint harmonisch und friedlich zu sein und Harry kann sich nicht nur richtig stärken, sondern er ist Teil der Gruppe. Er wird in Unterhaltungen integriert (es sei denn Mrs. Weasleys Beschützerinstinkt schimmert durch), ihm wird ernsthaft zugehört, wenn er etwas zu sagen hat, er bekommt Weihnachtsgeschenke wie alle anderen auch und seine Hilfe und Unterstützung wird in schwierigen Situationen gebraucht. Zuhause ist kein Ort, den man auf einer Landkarte einkreisen kann. Zuhause ist überall da, wo man sich geborgen und dazugehörig fühlt.
Ratschlag #5: Verlust bedeutet Neuanfang
Schon im allerersten Kapitel von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ wird Harry als „Der Junge, der überlebte“ bekannt. Voldemort tötete seine Eltern und Harry muss bei seiner Tante und seinem Onkel aufwachsen. Dort erfährt er, wie bereits gesagt, nicht sehr viel Zuneigung und es scheint als hätte der junge Zauberer mit dem Tod seiner Eltern alles verloren – nicht nur ein schönes Zuhause und eine liebevolle Umgebung, sondern vor allem seine Identität. James und Lily Potter sind bei einem Autounfall gestorben. Das ist zumindest die Geschichte, die Petunia und Vernon Dursley ihrem Neffen auftischen. Dabei verlieren sie kein Wort über Hogwarts, Zauberei oder Voldemort. Es scheint als wäre Harrys Vergangenheit komplett ausgelöscht und er müsste auf ewig mit den Sticheleien und Hänseleien seiner einzigen Verwandten leben. Natürlich kann man seine Herkunft aber nicht verstecken und so entdeckt Harry schon bald seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, die ihm ein komplett neues Leben offenbaren.
Durch seine Reise nach Hogwarts trifft Harry auf Ron, Hermine, Dumbledore, Sirius, Dobby, Lupin, Hagrid und viele weitere Personen, die schon bald zu einer neuen Familie werden. Freunde, Lehrer und die Weasleys ebnen Harry den Weg für einen Neuanfang. Er steckt nicht mehr in der kleinen Kammer unter der Treppe fest, sondern baut sich ein komplett neues Leben in der Zaubererwelt auf. Er verliebt sich, muss um sein eigenes Leben und das seiner Freunde kämpfen, lernt neue Leute kennen, erfährt eine ordentliche Schulbildung und kann sich letztendlich mit seiner Frau Ginny, seinen drei Kindern und einem guten Job eine neue, eigene Existenz aufbauen.
Harry hat in seinem jungen Leben viel verloren, seine Eltern, seinen Paten, Freunde wie Dobby, Hedwig, Fred, Lupin und Tonks, doch er hat einen Weg gefunden, diese Verluste zu überwinden. Er darf sich nicht an der Tatsache aufhängen, dass sie seinetwegen gestorben sind, sondern viel mehr daran denken, dass sie für ihn starben. Sie glaubten an Harry, wussten, wie hoch der Einsatz in diesem letzten Kampf war, sie waren bereit sich für die Sicherheit und den Frieden aller anderen einzusetzen – koste es, was es wolle. Und warum? Weil sie ihn liebten. Jeder der Charaktere, die Harry verlieren musste, liebten ihn auf eine bestimmte Art und Weise und somit wären wir wieder am Anfang des Artikels angekommen. Alles dreht sich letztendlich um die Liebe – sie gibt uns ein Zuhause, schenkt uns Freunde und hilft uns, über Trauer hinwegzukommen.
Welche Ratschläge kann man aus der „Harry Potter“-Buchreihe fürs Leben mitnehmen?